In der Vorbereitung wusste ich selber bis fast zum Schluss nicht worum es in meinem Vortrag eigentlich gehen soll. Kurz vor der Zielgeraden wusste ich: Es muss um die drastische Veränderung unseres Berufes in den letzten Jahren gehen.
Wenn ich es schaffe dieses unruhige und teilweise ungute Gefühl, das viele in letzter Zeit erleben, in Worte zu fassen, kann ein produktiver Diskussionsraum auf der Jahresversammlung unseres Berufsverbandes „Allianz Deutscher Designer (AGD) e.V.“ entstehen. Es sollte um die Digitalisierung gehen, die die Spielregeln für uns Designer aber auch für unsere Kunden drastisch verändert hat.
Zugegeben: Ein leichter Angang war das nicht für mich. Es war nicht nur die beeindruckende Kulisse des Red Dot Museums in der Zeche Zollverein, dessen Strahlkraft mir doch ganz schön auf den Schultern drückte. Es war auch der Gedanke, dass ich möglicherweise einige Designkollegen ihr Geschäftsmodell in Gefahr sehen. Ich musste also auch den Fokus auf die neuen Möglichkeiten lenken, statt bei den Türchen zu bleiben, die die Digitalisierung langsam aber sicher verschließt.
Zuerst die mittelguten Nachrichten
Mit diesen Türchen musste ich allerdings beginnen. Die Digitalisierung hat zum einen die Werkzeuge demokratisiert, die urspünglich nur in den Händen von Profis lagen. Durch kostengünstige Abo-Modelle sind diese Werkzeuge auch bezahlbar geworden. Ich selber habe Kunden, die das Layoutprogramm „Adobe InDesign“ als Alternative zu PowerPoint benutzen. Das Wissen dazu kann man sich mit Youtube-Videos oder speziellen Tutorial-Portalen aneignen. Werkzeug und Wissen gehören also nicht mehr nur uns Designern.
Wir sind alle visueller geworden
Natürlich ersetzt das nicht das handwerkliche Können, das man sich durch jahrelang Übung aneignet. Doch auch hier wird die Luft dünner. Man denke nur an die teilweise sehr jungen Instagramer, die ohne fotografische Ausbildung zum Teil wirklich gute Bilder machen. Die sozialen Netzwerke haben uns alle visueller gemacht. Grober ästhetischer Unfug wird heutzutage von deutlich mehr Leuten als solcher erkannt als vor Facebook und Co. Mir scheint der Anspruch und die „visuelle Mündigkeit“ sind gestiegen, was es dem sogenannten Butter-und-Brot-Design immer schwerer macht.


Screenshot aus der Präsentation. Die Lernkurve dieser Amateurfotografin auf Instagram ist enorm.
Eine andere interessante und schwerwiegende Erscheinung sind die Crowdsourcing-Plattformen, über die ich in diesem Blogartikel schon mal geschrieben habe. Hier bekommt der Auftraggeber für niedrigste Honorare Logos, Geschäftspapiere und teilweise ganze Websites. Die Designs entstehen oft außerhalb von Europa, sodass ein selbstständiger Designer hierzulande allein durch seine zu bestreitenden Lebenshaltungskosten nicht mithalten kann.

Screenshot aus der Präsentation. Für viele Designer ein Schreckgespenst: Die Crowdsourcing-Plattformen.
Doch gleichzeitig steckt hier genau die Chance. Denn was der Kunde hier nicht bekommt: Eine seriöse Beratung, einen persönlichen Kontakt und einen Partner an seiner Seite, der ihm ganz ehrlich sagt, wenn ein neues Logo nicht die Lösung seiner Probleme ist.
Was den guten Designer in Zukunft ausmacht
Wir als Designbüro verstehen uns als Sparringspartner unserer Kunden. Wenn wir eine Anfrage zu z.B. einer Broschüre bekommen, kalkulieren wir nicht direkt ein Angebot. Stattdessen fragen wir unseren Auftraggeber was hinter diesem konkreten Wunsch steckt. Da kommen meist Probleme zum Vorschein, die dem Auftraggeber oft selbst erst beim Reden darüber klar werden. Sehr oft geht der Kunde deshalb mit etwas anderem aus der Zusammenarbeit raus, als er ursprünglich gedacht hat. Und ehrlich gesagt, sind das relativ selten Broschüren.
Was uns zur wahrscheinlich wichtigsten Designer-Fähigkeiten der Zukunft bringt: Empathie und medienübergreifendes Denken. Nur, wer in die Welt des Kunden eintaucht und auch mal zwischen den Zeilen liest, wird eine Lösung finden, die seinen Auftraggeber wirklich weiterbringen. Und diese Lösungen sind immer seltener einzelne Medien wie eine Broschüre, sondern vielmehr ganze Design-Systeme.
Die Design-Kompetenzen der Zukunft
Als konzipierender Designer verfügt man also am besten über ein breites Wissen zu allen digitalen und analogen Medien und über ein breites und tiefes Netzwerk für die entsprechenden Spezialisten einer Disziplin. (Ein solches Netzwerk ist im digitalen Zeitalter glücklicherweise schneller aufzubauen als zuvor.) Eine reine Print-Kampagne beispielsweise ergibt in einem digitalisierten Konsumenten-Alltag kaum noch Sinn. Verspricht eine gute Geschichte, die über soziale Netzwerk von den Usern regelrecht mitgeschrieben wird, da vielleicht mehr Erfolg? Und wie verknüpfe ich die auch noch geschickt mit traditionellen Medien wie Tageszeitungen.
Das sind Fragen, die sich ein Designer meiner Meinung nach künftig stellen muss um seinem Kunden einen echten Wert zu bieten. Denn hübsche Hüllen gibt es mittlerweile woanders billiger.

Screenshot aus der Präsentation. Wenn alte und neue Kompetenzen mit Leidenschaft für Design zusammen kommen, wird man auch künftig als Designer Kunden finden.
Durchatmen
Der letzte Satz hier entspricht auch in etwa dem letzten Satz in meinem Vortrag. Als dann das letzte Chart mit einem dicken „Danke“ erschien, schaute ich auf und hatte etwas Respekt vor der Resonanz des Publikums. Neue Aufgaben und Perspektiven können ja auch erst einmal bedrohlich wirken …
Aber auf meine AGD-Kollegen war Verlass. Ich war ganz gerührt von dem wirklich tollen Applaus und noch viel mehr habe ich mich über die sehr konstruktive Diskussion danach gefreut. Auch nach dem offiziellen Programm kamen noch viele Kollegen auf mich zu und haben sich für die offenen Worte bedankt. Einige hatten sogar direkt Ideen mit Twitter und Co. für ihr eigenes Business.
Ich verließ die Tagung mit einem wirklich guten Gefühl. Um unsere Zunft brauche ich mir wohl keine Sorgen zu machen, wenn sie einem neues Zeitalter so optimistisch entgegensieht.
Den Bericht auf der Website unseres Berufsverbandes können Sie hier lesen.
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