In meinem Düsseldorfer Viertel sprießen sie gerade wie Pilze aus dem feuchten Waldboden: Diese Muskelbuden mit Mittelfrequenzstrom. Während das lausige Fußvolk sich im handelsüblichen Schwitzecenter stundenlang die schlechte Luft mit anderen teilen muss, lässt man sich hier einfach 20 Minuten lang ein Stromkabel anflanschen und schon winkt von weitem die ewige Jugend und Unsterblichkeit.
Mich hat hier allerdings weniger die Wirksamkeit dieser Methode gefesselt, sondern das Logo im Schaufenster. Warum hat der Designer einen Stempel als Logo für ein Fitnessthema gestaltet? Dazu kann man sich mal anschauen wo dieser Stempel-Look überall eingesetzt wird.

Der Poststempel ist sicher der bekannteste seiner Art und wahrscheinlich auch der älteste. Vermutlich wurde er im 15. Jahrhundert in Venedig erfunden. Seine Inschrift lautete „Mailänder Kurier“. Diese Idee trägt der Stempel bis heute in sich: Was bestempelt wird ist irgendwie „on the road“, auf der Durchreise.
So prüft man Waren auf ihre Qualität, ob sie legal eingeführt sind oder Zoll für sie bezahlt wurde. Beglaubigt mit einem Stempel. Nicht umsonst ist die Stempelform als Signet bei Genuss- und Lebensmitteln sehr beliebt. Aktuell besonders bei Fairtrade- und Bioprodukten, die besonders „echt“ daherkommen müssen. Das neue Logo von Lucky Strike und die aktuelle Kampagne springen auch auf diesen Zug auf: „Hauptsache echt“, „das Original“ oder „der Inhalt zählt“ ist im Moment auf den Plakaten der Zigarettenmarke zu lesen.

Apropos echt. Lange galt der Stempel als schwer zu fälschen. Auf vielen Urkunden und Dokumenten ist er noch heute so viel wert wie eine Unterschrift. Adelige und Geistliche bevorzugten früher hierfür Wachssiegel. Sonst hätten die schönen Siegelringe auch keinen Sinn gehabt.
Das wäre für Händler zu umständlich gewesen. Für sie war der Stempel vor allem praktisch: Statt alles von Hand zu unterschreiben, gab es –patsch!– einen Stempel auf die Papiere. Das hat im Alltag so viel Zeit gespart, sodass Behördenmitarbeiter bis heute mit großer Freude alles Mögliche bestempeln: Genehmigt! Mahnung! Bezahlt! Abgelehnt! Bei letzterem wird man sprichwörtlich abgestempelt.
Stempel-Logos beanspruchen also Eigenschaften wie Mobilität, Qualität, Echtheit und auch eine gewisse Brutalität für sich. Ob das zu unserer „Stromschmiede“ passt? Im Prinzip ja. Man sieht dem Logo bloß an, dass da offenbar noch andere Idee hinzuaddiert werden sollte. Wenn man sich die androide (handwerklich schwache) Schrift ansieht oder das futuristische „EMS 3.0“ weiß man, was ich meine. Es wird auf der einen Seite „Roughness“ suggeriert, auf der anderen Seite steht da die kühle, unkörperliche Technologie. Diesen Widerspruch machen auch das Ambösschen und der pseudo-authentische Abrubbel-Effekt nicht wieder wett.
Ob wirksam oder nicht. Bei diesen Workouts voller Elektrizität folge ich lieber meinem inneren Schweinehund und gehe Enten füttern.
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